In der Ausschreibungsrunde 2025 wurden von einer hochkarätigen internationalen Jury 10 Projekte in drei Fachgebieten ausgewählt: 

  • In-vivo Biologie: Die Kraft des gesamten Organismus
  • Therapeutische Zukunft der Epigenetik
  • Glykobiologie
     

Wie kann das Immunsystem rund ums Gehirn helfen, Glioblastome zu bekämpfen?

Dr. med. Dr. sc. nat. Maximilian Mastall, Abteilung für Neurobiologie, Universität Spital Zürich
Forschung in der Neuro-Onkologie – USZ
Dr. med. Dr. sc. med. Kevin Akeret, Abteilung für Neurochirurgie, Universität Spital Zürich 
nouslab.ch

Das Glioblastom ist der häufigste bösartige Hirntumor bei Erwachsenen und leider eine der tödlichsten Krebsarten. Trotz intensiver Behandlung leben Betroffene im Durchschnitt nur etwa 15 Monate nach der Diagnose. Neue Immuntherapien, die bei anderen Tumoren grosse Erfolge zeigen, helfen hier bislang kaum. Ein wichtiger Grund: Tumorzellen können die Immunabwehr direkt am Tumor ausbremsen. Neuere Studien zeigen, dass das Immunsystem des Gehirns von seinen Randzonen beeinflusst wird. Diese Randzonen umfassen insbesondere die Hirnhäute, welche sowohl mit dem Gehirn als auch mit dem restlichen Körper in engem Austausch stehen. Durch das Blut oder über feine Verbindungen zum umliegenden Schädelknochenmark können Immunzellen in die Hirnhäute gelangen. Lokale Botenstoffe entscheiden darüber, welche Zellen ins Gehirn einwandern und wie stark die Abwehr reagiert. Noch ist wenig bekannt, wie diese Randzonen und der Tumor sich gegenseitig beeinflussen. In unserem Projekt untersuchen wir deshalb systematisch, welche Zellen in diesen Bereichen vorkommen und wie sie mit dem Tumor kommunizieren. Unser Ziel ist es, neue, gut erreichbare Angriffspunkte außerhalb des eigentlichen Tumors zu identifizieren. Langfristig könnten so Behandlungen entwickelt werden, die die Immunantwort gezielt stärken – und die Wirksamkeit von Immuntherapien beim Glioblastom verbessern.

Identifikation neuer Proteine, die zur Kachexie führen können.

Dr. Regula Furrer, Biozentrum, Universität Basel
https://biozentrum.unibas.ch/handschin

Der starke Verlust von Muskelmasse und Körperfett, bekannt als Kachexie, gehört zu den häufigsten Begleiterscheinungen von Krebs und ist mit einer verminderten Lebensqualität sowie einer erhöhten Sterblichkeit verbunden. Bisher gibt es jedoch keine wirksame Behandlung der Kachexie, weshalb ein besseres Verständnis ihrer Ursachen dringend erforderlich ist. Unser Projekt hat das Ziel, mithilfe einer innovativen Methode neue Proteine zu identifizieren, die durch den Tumor produziert werden und den Abbau von Muskel- und Fettgewebe fördern. Anschliessend werden wir den Einfluss dieser Proteine auf das Muskel- und Fettgewebe mit unterschiedlichen Methoden testen. Die geplante Forschung soll unser Verständnis der Wechselwirkungen zwischen Tumor und Muskel- und Fettgewebe verbessern und neue Ansatzpunkte für Therapien gegen Kachexie liefern.

Synthetische T-Lymphozyten-Sender für die präzise und effiziente Zufuhr von Genom-Editoren

Dr. Yuqing Xie, Abteilung für Biosystemwissenschaften und -technik, ETH Zürich
https://bsse.ethz.ch/bel

Jüngste Fortschritte in der Genom- und Epigenom-Editierung bieten ein transformatives Potenzial zur Heilung genetischer Erkrankungen und zur Reprogrammierung zellulärer Funktionen, doch die klinische Umsetzung wird durch eine ineffiziente und ungenaue in-vivo-Abgabe großer Protein–Nukleinsäure-Komplexe von (Epi)Genom-Editoren behindert. Um diese Herausforderung zu bewältigen, schlagen wir eine disruptive Strategie vor, inspiriert von T-Lymphozyten – dem effizientesten natürlichen System zur gezielten Ansprache von Zellen – durch die de-novo-Entwicklung synthetischer T-Zell-Sender (“T-senders”): zytotoxizitätsfreie T-Zellen, die so reprogrammiert werden, dass sie (Epi)Genom-Editoren mit räumlich-zeitlicher Präzision abgeben. Durch die Neunutzung der T-Zell-Biologie zur Ausnutzung der endogenen Zell-zu-Zell-Kommunikation bietet unser Ansatz eine beispiellose Spezifität, hohe Nutzlastkapazität und skalierbare Verabreichung verschiedenster makromolekularer Therapeutika. Ein solcher Erfolg würde die in-vivo-Genomeditierung und Zelltherapie revolutionieren und einen Paradigmenwechsel in der Präzisionsmedizin einleiten.
 

Eine neue Strategie für die Behandlung von Haploinsuffizienzen

Prof. Gerhard Schratt, Institut für Neurowissenschaften, ETH Zürich
Homepage - Schratt Lab – Laboratory of Systems Neuroscience | ETH Zurich

Haploinsuffizienzen sind genetische Erkrankungen, bei denen eine der beiden Genkopien defekt ist. Eine Therapieoption besteht darin, die Aktivität der verbliebenen intakten Genkopie zu steigern, um die Proteinmenge in Patienten zu normalisieren. In diesem Projekt erproben wir am Beispiel des Dravet Syndroms einen neuen Ansatz basierend auf sog. Antisense-Oligonukleotiden. Diese binden selektiv an die intakte Genkopie und heben dadurch die hemmende Wirkung von endogenen mikroRNAs auf.  

Profilierung epigenetischer Veränderungen in persistenten Prostatakrebszellen unter Therapie

Dr. Wouter Karthaus, EPFL/ISREC, Lausanne
Lab of endocrine therapy resistance and molecular genetics ‐ EPFL

Prostatakrebs (PCa) ist eine häufige Krebserkrankung mit über 1,4 Millionen neuen Diagnosen und 375.000 Todesfällen pro Jahr. Je nach Mutationshintergrund stehen für PCa verschiedene medikamentöse Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung. Obwohl diese Behandlungen die Krankheit über einen längeren Zeitraum wirksam bekämpfen, schreitet praktisch jeder PCa fort und wird resistent gegen die Behandlung. Die lange Dauer der Krankheitsunterdrückung lässt vermuten, dass der Medikamentenresistenz eine Persistenz vorausgeht. Persistente Krebszellen werden nicht abgetötet, sind aber auch nicht resistent gegen die medikamentöse Behandlung. Krebszellen erreichen diesen spezifischen Zellzustand nicht durch neue Mutationen, sondern durch eine interne Umstrukturierung, die von molekularen Maschinen abhängt, den sogenannten epigenetischen Regulatoren. Es gibt viele Arten von epigenetischen Regulatoren. Es ist jedoch unklar, ob unterschiedliche epigenetische Regulatoren erforderlich sind, damit PCa-Zellen während verschiedener medikamentöser Behandlungen persistieren können. Eine gezielte Beeinflussung dieser epigenetischen Regulatoren könnte die Krebsbehandlung wirksamer machen. Dieses Projekt konzentriert sich auf die Definition der verschiedenen epigenetischen Regulatoren, die für die Persistenz von PCa während verschiedener Behandlungen erforderlich sind, mit dem Ziel, die Grundlagen für wirksamere Behandlungen von PCa zu schaffen.

Multiskalige Chromatin-Baupläne zur Entschlüsselung und Vorhersage epigenetischer Veränderungen für die Krebstherapie

Dr. Gian Marco Franceschini, Abteilung für Computational Biology, Universität Lausanne
http://ciriellolab.org/ 

Epigenetische Therapien sind vielversprechend zur Behandlung von Tumoren, doch die Vorhersage, wer davon profitiert, bleibt schwierig. Wir postulieren, dass die 3D-Organisation des Genoms – insbesondere Chromatin-Kompartimente – eine zentrale Rolle für die Sensitivität gegenüber epigenetischen Wirkstoffen spielt. Am Beispiel von B-Zell-Lymphomen unter Tazemetostat, einem EZH2-Inhibitor, werden wir: (i) interpretierbare Modelle des maschinellen Lernens auf Histonmarkierungen, trainieren, um Kompartimentidentität und arzneimittelinduzierte Repositionierung vorherzusagen; (ii) die Vorhersagen mit Bulk-Hi-C in unabhängigen Modellen validieren; und (iii) Dynamik und Heterogenität der Antwort mit Einzelzell-Hi-C in medikamenttoleranten Klonen kartieren. Diese Experimente prüfen, ob Perturbationen von Histonmarkierungen Kompartimentwechsel anleiten und ob präexistente 3D-Topologie jene Genloci vorhersagt, die sich unter EZH2-Blockade repositionieren und transkriptionell umprogrammieren. Wir erwarten, eine Menge von Loci und Signalwegen zu priorisieren, die im Lymphom für epigenetische Reprogrammierung empfänglich sind, und dabei ein generalisierbares Vorhersagerahmenwerk zu entwickeln. Indem wir die Chromatin-Topologie als Mediator und Prädiktor der Wirkung epigenetischer Wirkstoffe etablieren, werden wir die Patientenstratifizierung verfeinern und rationale Kombinationstherapien beim B-Zell-Lymphom leiten – mit Prinzipien, die auf weitere Krebsarten übertragbar sind.
 

Kapselentwicklung und MDR bei Bakterien: Ein Jahrzehnt der Ausbruchsdynamik in einem Krankenhaus der Maximalversorgung

Dr. Carine Roese Mores, Universität Spital Zürich
https://www.sdb-lab.org/ 

Bakterielle Kapseln sind zuckerbasierte Hüllen, die für viele (Krankenhaus-)Erreger als schützende Rüstung wirken. Sie ermöglichen es den Bakterien, dem Immunsystem zu entgehen, Biofilme zu bilden und Reinigungsmaßnahmen zu widerstehen. Bei multiresistenten (MDR) Stämmen könnten Kapseln zudem helfen, Antibiotikabehandlungen zu überstehen, länger in Krankenhausumgebungen zu überleben und so die Übertragung im Gesundheitswesen zu begünstigen. In diesem Projekt werden Genom-, Glykom- und krankenhausepidemiologische Daten kombiniert, um die Kapselentwicklung über ein Jahrzehnt von Ausbrüchen zu untersuchen. Ziel ist es, prädiktive Marker für das Auftreten von Resistenzen zu identifizieren und kapselspezifische therapeutische Strategien zu entwickeln.

Innovative Methodik zur Erforschung von komplexen Zuckerstrukturen auf Pankreaskrebszellen

Lukas Murner und Stephan von Gunten, Institut für Pharmakologie, Universität Bern
https://www.pki.unibe.ch/forschung/forschungsgruppen/gruppe_von_gunten/index_ger.html 

Komplexe Zuckerstrukturen auf Pankreaskrebszellen können deren biologisches Verhalten hinsichtlich Krebswachstum, Metastasierung und Resistenz gegenüber körpereigenen Abwehrmechanismen beeinflussen. Trotz ihrem diagnostischen und therapeutischen Potential lassen sich diese komplexen Zuckerstrukturen mit gegenwärtiger Methodik nur unzureichend erforschen. Modernste Technologie kombiniert mit neuen Ansätzen zur zuckererkennenden Proteinsynthese und -screening-Methoden soll es erlauben einen Zugang zur biologischen Dimension komplexer Kohlenhydrate zu schaffen. Eine derartige bisher unerreichte tiefgründige Analyse von Pankreas krebszellen und -geweben hat das Potential neue diagnostische Standards und therapeutische Strategien zu ermöglichen.

glyCOmplECs: Entschlüsselung der komplexen Wechselwirkungen zwischen der Glycokalyx und dem Komplementsystem bei Endothelzell-Krankheiten

Prof. Daniel Ricklin, Fakultät für Pharmazeutische Wissenschaften, Universität Basel
https://pharma.unibas.ch/de/research/research-groups/molecular-pharmacy-2145/ 

Der Schutz des Körpers vor Verletzungen und Infektionen bedingt eine enge Zusammenarbeit zwischen den Endothelzellen der Blutgefässe und dem Komplementsystem, einem schnell reagierenden Teil der Immunabwehr. Bei klinischen Komplikationen durch Sauerstoffmangel – wie etwa bei Schlaganfall, Herzinfarkt oder Organtransplantation – kann sich dieses eigentlich hilfreiche Zusammenspiel jedoch zu einem zellschädigenden Teufelskreis entwickeln, der medizinisch bislang nur unzureichend unterbrochen werden kann. Die Glycokalyx der Endothelzellen, eine dicke Schutzschicht aus Zuckermolekülen, scheint beim Übergang von Sauerstoffmangel zu Komplementaktivierung und Zellschädigung eine wichtige Rolle zu spielen, aber die molekularen Mechanismen dahinter bleiben weitgehend unbekannt. Ziel dieses Projekts ist es daher, ein zellbasiertes Modellsystem zu entwickeln, mit welchem die komplexen Zusammenhänge zwischen der Glycokalyx und dem Komplementsystem unter kontrollierten Bedingungen untersucht, Schlüsselmoleküle im Prozess identifiziert und neue therapeutische Ansätze erprobt werden können.

Den süssen Kleber des Schleims entschlüsseln Muzine freilegen mit inaktivierten, muzinspezifischen Proteasen

Dr. Padryk Merkl, Institut für Pharmazeutische Wissenschaften, ETH Zürich
https://n.ethz.ch/~pmerkl/ 

Muzine sind lange Proteine, die Zelloberflächen auskleiden und einige der am stärksten exponierten Bereiche unseres Körpers schützen. Dafür tragen sie umfangreiche Zuckermodifikationen, die sogenannte Glykosylierung, die es ihnen ermöglicht, dem Abbau zu widerstehen und sich an potenziell schädliche Partikel zu binden. Diese Glykosylierung ist – anders als eine Proteinsequenz – nicht in der DNA vorgegeben, sondern kann dynamisch sein und über die Zeit sowie zwischen Individuen stark variieren. Die elektrischen Ladungen und Vielfalt der Glykosylierungen machen sie schwer zu untersuchen. Dieses Projekt entwickelt neue Werkzeuge, um die dichte Glykosylierung zu entwirren und Muzinproteine in gesunden und krankhaften Zuständen zu studieren.