Mit Zell- und Gentherapien gegen schwere Erkrankungen

Diese Behandlungsformen sind eine Speerspitze der Biomedizin – und setzen mitunter direkt an der Ursache von Krankheiten an. Das ist das Revolutionäre an ihnen. Deshalb haben diese das Potenzial das Fortschreiten einer Erkrankung aufzuhalten. Was sind das für Therapien?

Sep 27, 2022

Zell- und Gentherapien sind neuartige Therapien entwickelt für Erkrankungen, die bisher nicht oder nur schlecht behandelt werden können. Diese Therapien könnten somit einen großen medizinischen Bedarf abdecken, beispielsweise bei aggressiven bösartigen Tumoren bzw. bei seltenen Krankheiten. 2012 wurde das erste Zell- und Gentherapeutikum zur Behandlung in Deutschland zugelassen und stellte einen Meilenstein in der medizinischen Versorgung dar.

Wie funktioniert eine Gentherapie?

Der menschliche Körper besteht aus vielen Milliarden Zellen. Im Kern jeder Zelle befindet sich das Erbmolekül mit unserer individuellen Erbinformation, die bekannte DNA-Doppelhelix – ein langer Faden biochemischer Bausteine (Nukleotide). Ein Gen ist ein einzelner Abschnitt auf diesem Faden. Es gibt etwa 20.000 solcher Einzelabschnitte, und jedes einzelne besteht aus einer definierten Abfolge von Hunderten bis Tausenden Nukleotiden. Diese Abfolge der Nukleotide in den verschiedenen Genen ist sehr wichtig. Denn sie ist eine Art Bauanleitung, die die Zellmaschinerie „lesen“ kann. Gemäß dieser Bauanleitungen stellt die Zellmaschinerie alle möglichen Moleküle – meist Proteine – her, die sie braucht, damit der Organismus funktioniert.

Wenn Gene durch Mutationen verändert sind oder gar komplett fehlen, kann die Geninformation nicht korrekt abgelesen werden.  In bestimmten Fällen kann der Körper dann gar keine oder nur fehlerhafte Proteine, die ihre Funktion nicht mehr erfüllen, produzieren. Das kann zu schweren Erkrankungen, oft schon im Kindes- oder Säuglingsalter, führen. 

Die Gentherapie versucht, dies zu lösen und diese Defekte zu reparieren bzw. zu ersetzen. Dazu werden gesunde Kopien des jeweils defekten oder fehlenden Gens in den Körper eingeschleust – etwa mit Hilfe eines sogenannten Vektors, der als Fähre fungiert. Diese Art Genfähre kann zum Beispiel ein inaktiviertes Virus sein, das im Labor mit dem benötigten funktionsfähigen Gen „beladen“ wird. Dieses Konstrukt spritzen die Ärzt*innen in den Körper, wo es zu den Zellen wandert, in denen das spezifische Gen defekt ist. Die Zellen können dann das richtige Protein oder Enzym produzieren, ein Protein mit einer spezifischen Funktion. Die dazu nötigen Technologien wurden von zahlreichen Forschenden zuerst im Labor und später in der klinischen Praxis getestet und optimiert.

Jede Gentherapie wird auf der Grundlage von detaillierten Informationen zu den Ursachen der Erkrankung entwickelt, und soll so die genetische Erkrankung an ihrer Ursache behandeln. 

Die CAR-T Zelltherapie

Bei der Zelltherapie werden Zellen verändert und/oder für den Transport einer Therapie verwendet. Dabei werden die Zellen außerhalb des Körpers bearbeitet und vermehrt, bevor sie in den Körper der Patient*innen gespritzt werden. Die Zellen stammen oftmals direkt von den Erkrankten. 

Zu den innovativen Methoden der Zelltherapie zählt die CAR-T-Zelltherapie zur Behandlung von verschiedenen Krebserkrankungen. Sie ist gleichzeitig auch eine Gentherapie. 

Der Begriff CAR-T Zellen steht für „chimärer Antigenrezeptor T-Zellen“. T-Zellen sind Zellen des Immunsystems. Ihren „normalen“ Angriffsversuchen entziehen sich die Krebszellen durch diverse molekulare Tricks. Somit erkennen die T-Zellen ihr Ziel, die Krebszellen, nicht. Die CAR-T-Therapie sorgt dafür, dass die modifizierten T-Zellen die Krebszellen und somit den Tumor als solchen – und als Bedrohung für den Körper – identifizieren können. 

Bei dieser Methode werden den jeweiligen Patient*innen zunächst ihre eigenen T-Zellen entnommen. In diese Zellen wird dann im Labor ein spezielles Gen eingeschleust. Daraufhin produzieren diese veränderten T-Zellen ein Protein, das sie wie eine Antenne auf ihrer Oberfläche präsentieren. Jetzt können diese den Tumor erkennen: diese „Antennen“ sorgen dafür, dass die CAR-T-Zellen – sobald sie in den Körper zurück gespritzt werden – die Krebszellen erkennen und nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip zielgenau daran binden. Die Krebszellen können dann zerstört werden. 

Weil CAR-T-Zelltherapien für jede Patientin und jeden Patienten individuell hergestellt werden, ist die Methode sehr komplex und mit hohem Aufwand verbunden.

Aber: Zell- & Gentherapien bieten die Chance, mit einer einmaligen Anwendung eine langanhaltende therapeutische Wirkung zu erzielen. Das unterscheidet sie von konventionellen, oft langwierigen Behandlungen der Patient*innen, die von den neuartigen Therapien profitieren könnten: durch möglicherweise Lebensverlängerung, eine bessere Lebensqualität und damit auch psychosoziale und emotionale Entlastung – nicht zuletzt auch der Angehörigen.