Bei Morbus Bechterew (auch bekannt als Spondylitis ankylosans oder ankylosierende Spondylitis, kurz AS) führen Entzündungsprozesse dazu, dass Gelenke der Wirbelsäule verknöchern. Besonders betroffen sind die Verbindungen der Rippen mit den Wirbeln die Verbindungen des Kreuzbeins der Wirbelsäule mit dem Darmbein der Hüfte (Kreuz- Darmbein-Gelenke oder Ilio-Sakral-Gelenke). Diese Gelenke können im Krankheitsverlauf versteifen und zu einer nach vorne gebeugten Körperhaltung führen.

In Mitleidenschaft gezogen werden können auch Gelenke außerhalb der Wirbelsäule Sehnenansätze (z.B. die Achillessehne), Augen (Regenbogenhaut) und innere Organe. Morbus Bechterew – eine chronische Erkrankung – gilt als nicht heilbar. Sie verläuft in Schüben und von Person zu Person unterschiedlich. Schmerzhafte Erschöpfungszustände, manchmal begleitet von Fieber, wechseln sich ab mit Phasen, in denen es den Patienten verhältnismäßig gut geht. Weil die meist diffusen Beschwerden im Anfangsstadium schwer zuzuordnen sind, werden sie oft fehlgedeutet.

Bei jungen Erwachsenen sind es vor allem Rücken- und Gelenkbeschwerden, die auf Morbus Bechterew hinweisen können. Auch Fersenschmerzen oder Schmerzen am Brustbein könnten Symptome sein. Als typische Anzeichen in der Frühphase gelten Beschwerden im Bereich der unteren Wirbelsäule. Nennen die Patienten zwei der folgenden Symptome

  • Schmerz in der zweiten Nachthälfte
  • Morgensteifigkeit/Anlaufschmerz
  • Müdigkeit
  • nachlassende Steifigkeit infolge von Bewegung, nicht durch Ruhe
  • Schmerzen im Gesäß, abwechselnd links und rechts

wird der Schmerz meist durch eine Gelenkentzündung verursacht. Betroffen sind etwa 5 % aller Patienten mit Rückenschmerzen. Nachts sind die Rückenschmerzen bei Morbus-Bechterew-Patienten gewöhnlich am heftigsten.

Einer gesicherten Diagnosestellung gehen die Erfassung der Leidensgeschichte des Patienten (Anamnese), die klinische Untersuchung, Röntgenaufnahmen, gegebenenfalls eine Magnet-Resonanz-Tomografie (Bildgebung) und die Blutuntersuchung voraus. Im Anamnesegespräch erkundigt sich der Arzt nach den Beschwerden und Vorerkrankungen des Patienten und danach, ob in der Familie bereits ähnliche Fälle geschildert wurden. Bei der nachfolgenden klinischen Untersuchung überprüft er dann Aussehen und Funktionalität der Wirbelsäule, misst Krümmung und Beweglichkeit und stellt fest, ob bestimmte Bewegungen Schmerzen verursachen. Röntgenaufnahmen und gegebenenfalls auch eine Magnet-Resonanz- Tomografie (MRT) zur genauen Abklärung runden das Bild ab. Die Blutuntersuchung gibt Auskunft über diverse Blutparameter, z. B. über das Vorhandensein von HLA-B27 auf Leukozyten, über das C-reaktive Protein (CRP) und über die Blutsenkungsgeschwindigkeit.

Die nachfolgende Tabelle fasst Kriterien zusammen, die eine Frühdiagnose bei Rückenschmerzen von mindestens dreimonatiger Dauer und einem Beginn im Altern von unter 45 Jahren ermöglichen.
 

Tabelle 1: Gewichtung von Befunden, die für die Diagnose einer axialen Spondyloarthritis von Bedeutung sind, bei Rückenschmerzen von mindestens 3 Monaten Dauer und einem Beginn im Alter von weniger als 45 Jahren, nach Feldtkeller, Rudwaleit u.a. 2013 Punkte
Rückenschmerzen vom entzündlichen Typ 11
Fersenschmerzen (Enthesitis) 12
asymmetrische Entzündung weniger peripherer Gelenke 14
Wurstförmige Finger- oder Zehenschwellung (Daktylitis) 15
Iritis (Regenbogenhautentzündung) 20
Schuppenflechte (Psoriasis) 9
Entzündliche Darmerkrankung (Colitis ulcerosa, Morbus Crohn) 14
Spondyloarthritis oder Iritis bei Verwandten ersten Grades 19
Erhöhter Entzündungslaborwert (Blutsenkung, CRP) 9
Gutes Ansprechen auf nichtsteroidale Antirheumatika 16
HLA-B27-Positivität 22
Entzündete Kreuzdarmbeingelenke im Magnetresonazbild 22

Für die Auswertung gilt:

  • Mindestens 51 Punkte: Definitive axiale Spondyloarthritis (Wahrscheinlichkeit über 90%)
  • Mindestens 43 Punkte: Wahrscheinliche axiale SpA (Wahrscheinlichkeit über 80% )
  • Weniger als 13 Punkte: Axiale Spondyloarthritis unwahrscheinlich ( Wahrscheinlichkeit unter 15%)

Die Morbus-Bechterew-Therapie ruht auf mehreren Säulen, d. h. der Erkrankung und ihren Symptomen begegnet man unterschiedlich. Der Schwerpunkt liegt auf der Kombination aus nicht medikamentösen und medikamentösen Maßnahmen und wird durch Patientenschulungen ergänzt. Je nach Krankheitsverlauf kann es teilweise auch nötig werden, Injektionen und Operationen in Betracht zu ziehen. Bei der Behandlung der Patienten geht es Ärzten darum, den Schmerz zu reduzieren, die fortschreitende Gelenksteifigkeit zu drosseln, strukturelle Schädigungen zu verhindern, die körperliche Funktionsfähigkeit zu erhalten und die Arbeits- und Erwerbsfähigkeit möglichst lange aufrechtzuerhalten.
Teilweise lassen sich einige Behandlungsergebnisse systematisch erfassen. Das ist wichtig für die Verlaufskontrolle der Erkrankung, bei der in regelmäßigen Abständen der aktuelle Gesundheitszustand des Patienten und sein Ansprechen auf die Therapie zu dokumentieren sind und in Relation zu den Zielsetzungen zu bringen und der individuellen Situation des Patienten anzupassen sind.

Nicht medikamentöse Therapien

Eine wichtige Säule im Behandlungskonzept des Morbus Bechterew sind Physiotherapie, manuelle Therapie sowie regelmäßige Bewegungsübungen. Parallel dazu erhält der Patient Medikamente. Ziele dieser nicht medikamentösen Therapie sind:

  • Schmerzreduktion
  • Erhalt der körperlichen Beweglichkeit
  • Verminderung der Steifheit verbesserte Körperhaltung und Koordination
  • Sturzprävention
  • Erhalt der funktionalen Gesundheit

Bewegungsübungen, die zu Hause durchgeführt werden, sind zwar effektiv, reichen aber nicht aus. Der Arzt wird deshalb angeleitete Bewegungstherapien (Trocken- oder Wasserübungen – individuell oder in der Gruppe) anordnen. Unabdingbar für den Behandlungserfolg ist, dass Patienten bei der verordneten Bewegungstherapie,  die ein wichtiger Teil der Behandlung ist, zuverlässig und gewissenhaft mitarbeiten. Physiotherapie und manuelle Therapie (Mobilisation) kann die Wirbelsäulenbeweglichkeit günstig beeinflussen und die Körperhaltung verbessern.

Medikamentöse Therapie

Die medikamentöse Behandlung spielt in der Morbus-Bechterew-Therapie ebenfalls eine zentrale Rolle. Zielsetzungen sind Schmerzreduktion, Verbesserung der Funktionstüchtigkeit, Reduktion der Steifheit, Blockade der entzündlichen, die Gelenke zerstörenden Prozesse und die Hemmung der Knochensubstanzveränderung.

Gängige Therapieoptionen bei Morbus Bechterew sind:

  • Nicht steroidale Antirheumatika (NSAR)
    Nicht steroidale Antirheumatika sind ein wesentlicher Faktor in der M.-Bechterew-Behandlung. Dosierung und Verabreichungszeitraum der NSAR-Therapie richten sich nach dem Beschwerdeumfang.
  • Disease Modifying Anti-Rheumatic Drugs
    DMARDs steht für Krankheitsmodifizierende antirheumatische Medikamente. Sie werden allgemein in der Rheumatologie auch unter dem weitverbreiteten Begriff Basistherapeutika zusammengefasst. Allgemein wirken DMARDs Entzündungsvorgängen langfristig entgegen und reduzieren die Schmerzbelastung. Die sogenannten Basistherapeutika müssen dauerhaft eingenommen werden. Ihre Wirkung zeigt sich erst nach mehreren Wochen.
  • Biologika (therapeutische Antikörper)
    Antikörper sind Eiweiße, die bestimmte Zielstrukturen passgenau erkennen können. Normalerweise sind Antikörper Teil des menschlichen Immunsystems. Sie werden im Körper von einer Untergruppe der weißen Blutzellen (B-Zellen) gebildet und haben die Aufgabe, eindringende Viren oder Bakterien abzufangen und so unschädlich zu machen. Dieses Prinzip macht man sich bei den therapeutischen Antikörpern zunutze. Heute ist man in der Lage, gezielt zur Behandlung von Erkrankungen Antikörper herzustellen, die bestimmte Zielstrukturen im Körper erkennen und eliminieren können. Da die Stoffe den natürlich im Organismus vorkommenden Antikörpern nachempfunden sind, nennt man sie Biologika.

Die pharmazeutische Forschung hat in den vergangenen Jahren für jene M. Bechterew-Patienten, die auf die Standardtherapie mit NSAR nicht ansprachen, Biologika entwickelt, die die am Entzündungsvorgang beteiligten Botenstoffe hemmen. Die Wirkung der Biologika setzt rasch ein und hält bei fortwährender Gabe bei einer großen Patientenzahl mehrere Jahre an. Gegenwärtig werden sie jedoch nur Patienten mit hoher Krankheitsaktivität per Infusion bzw. subkutaner Injektion verabreicht.

In Studien, die die Wirksamkeit der Biologika untersuchten, wurden eine Reduzierung der Wirbelsäulenschmerzen, einen Rückgang der Morgensteifigkeit/des Anlaufschmerzes, eine Verbesserung der Funktionsfähigkeit und eine Reduktion der Müdigkeit registriert.