In der Ausschreibungsrunde 2023 wurden von einer hochkarätigen internationalen Jury 10 Projekte in drei Fachgebieten ausgewählt: 

  • RNA: Mechanismus, Wirkstoff, Target
  • Nach AlphaFold: Dynamische Zustände anvisieren
  • 3D und 4D Genom
     

Phasentrennung als Regulator des Spleissens - ein Paradigmenwechsel für die RNA-Protein-Interaktion?

Dr. Antje Wolter, Department of Biology, Institute of Biochemistry,  ETH Zürich
https://bc.biol.ethz.ch/research/allain-group.html

Nuclear Speckles sind membranlose Organellen, die durch Flüssig-Flüssig Phasentrennung im Zellkern von Eukaryoten entstehen und eine entscheidende Rolle in der Prozessierung von prä-mRNA spielen. Obwohl Spliceosome häufig in der Nähe dieser Speckles zu beobachten sind, ist die genaue Aufgabe der Nuclear Speckles in der Regulation des Spleissens bisher noch nicht vollständig verstanden. In unserem Projekt testen wir ein kürzlich publiziertes Modell, in dem vorgeschlagen wird, dass die Oberfläche der Nuclear Speckles eine zweidimensionale Interaktionsfläche bieten könnte, an der die Spleissstellen der prä-mRNA so exponiert werden, dass sie durch die Spliceosome effektiver aufgefunden werden können, als es im dreidimensionalen Raum des Nucleoplasmas möglich wäre. Statt einer auf Diffusion basierenden Interaktion wäre stattdessen die räumliche Exponierung an einer Oberfläche ausschlaggebend. In unserem vereinfachten System markieren wir kurze prä-mRNA Sequenzen und Nuclear Speckle assoziierte Proteine mit fluoreszierenden Farbstoffen und beobachten die räumliche Anordnung innerhalb der entstehenden Tropfen durch hochauflösende Fluoreszenzmikroskopie.


Entwicklung von zelltypspezifisch übersetzter mRNA für CAR-T-Zelltherapien

Dr. Andreas Reichmuth, Institute of Pharmacology and Toxicology, University of Zurich
https://schwanklab.org/

Die Immuntherapie ist zu einem wichtigen Bestandteil der Krebsbehandlung geworden. Eine hochwirksame Methode ist die adoptive Zelltransfertherapie, bei der die T-Zellen eines Patienten mit chimären Antigenrezeptoren (CARs) modifiziert werden, um Krebszellen zu erkennen, anzugreifen und zu zerstören. Diese personalisierte Therapie hat sich bei der Behandlung von gewissen Arten von Blutkrebs als sehr erfolgreich erwiesen und hat das Potenzial, auch solide Tumore und verschiedene andere Krankheiten zu behandeln. Die hohen Kosten für die Herstellung von CAR-T-Zellen und das komplizierte Behandlungsverfahren, das spezialisierte Zentren erfordert, erschweren jedoch den Zugang zu dieser lebensrettenden Therapie. Darüber hinaus führt die dauerhafte Integration der CAR-Sequenzen in das Genom zu langlebigen CAR-T-Zellen, die nicht ohne weiteres aus dem Körper entfernt werden können, was bei der Behandlung von soliden Tumoren erhebliche Risiken birgt. Wir nutzen die mRNA-Technologie, um T-Zellen vorübergehend in Anti-Krebs-Zellen zu verwandeln. Zu diesem Zweck entwickeln wir eine Lipid-Nanopartikel-Plattform, die mRNA gezielt an T-Zellen direkt im Patienten abgibt. Im Grunde genommen wird der Patient zum Hersteller seiner eigenen CAR-T-Zelltherapie. Dieser Ansatz verspricht einen breiten Zugang zu personalisierten Immuntherapien mit besseren Sicherheitsprofilen im Vergleich zu bestehenden Technologien


Fokale nicht-invasive hochkonzentrierte RNA-Abgabe

Prof. Dr. M. Fatih Yanik & Dr. Paul Johnson, Institute of Neuroinformatics, ETH
https://www.neurotechnology.ethz.ch

Die Behandlung neurologischer und psychiatrischer Erkrankungen könnte verbessert werden, wenn RNA regional, nicht-invasiv und in hoher Konzentration in das Gehirn eingebracht werden könnte. Bisherige Versuche dazu waren ineffizient, nicht regionalspezifisch oder erforderten invasive Massnahmen.  In diesem Projekt benutzen wir eine von uns entwickelte Verabreichungstechnologie, mit der kleine Moleküle nicht-invasiv bis in kubikmillimetergrosse Hirnregionen gebracht werden können, und zwar mit einer 1'300-fachen fokalen Anreicherung im Vergleich zu systemischen Levels. Dazu werden zuerst ultraschallgesteuerte Wirkstoffträger (gasgefüllte Mikrobläschen, die an Liposomen gebunden sind) intravenös injiziert, die dann im gesamten Körper zirkulieren.  Dann positionieren wir einen fokussierten Ultraschallwandler an der gewünschten Stelle im Gehirn und wenden eine besondere Ultraschallsequenz an, die zunächst unsere Partikel im Ultraschallfeld aggregiert und den Wirkstoff freisetzt, der dann eine intakte Blut-Hirn-Schranke (BHS) passieren kann. Derzeit können wir kleine Moleküle in das Gehirn einbringen. Wir passen diese Technologie nun an, um mit Biologika zu arbeiten, insbesondere mit siRNA, die an ein BHS-überwindendes zelldurchdringendes Peptid gebunden ist. Auf diese Weise wollen wir die Behandlung von Hirnkrankheiten mit RNA Wirkstoffen ermöglichen.


Charakterisierung der lokalen mRNA-Translation mit Hilfe von Proximity- und metabolischer Markierung

Dr. Srivathsan Adivarahan, Department of Biosystems Science and Engineering, ETH Zürich
https://bsse.ethz.ch/lsp

Asymmetrische mRNA-Segregation, auch bekannt als mRNA-Lokalisierung, wurde in einem breiten Spektrum von Organismen und Zelltypen beobachtet, die von Einzellern wie Hefe bis hin zu komplexen zellulären Systemen wie Neuronen und Darmepithelien reichen. Epithelzellen spielen eine zentrale Rolle bei der Ausführung zahlreicher Stoffwechselfunktionen im menschlichen Körper. Der Prozess der mRNA-Lokalisierung und der lokalisierten Translation kann diese Zellen befähigen, umgehend auf dynamische Veränderungen der Umweltbedingungen, wie z. B. Schwankungen der Nährstoffverfügbarkeit, zu reagieren. Während die mRNA-Lokalisierung auf der Ebene von Transkriptomen intensiv erforscht wurde, mangelt es an Information über den Status der Translation. Dies schränkt unser Verständnis der funktionellen Auswirkungen einer solchen Lokalisierung ein. Dieses Projekt verfolgt daher zwei Ziele: (i) Entwicklung eines auf Proximity Labelling basierenden Ansatzes zur Quantifizierung der lokalisierten mRNA-Translation innerhalb verschiedener subzellulärer Kompartimente. (ii) Nutzung dieses innovativen Ansatzes zur Quantifizierung der lokalisierten Translation von Proteinen in Darmorganoiden.
 

Erzeugen alternativer Proteinkonfigurationen mit funktionaler latenter Diffusion

Prof. Dr. Thomas Lemmin, Faculty of Medicine Institute of Biochemistry and Molecular Medicine, University of Bern
https://www.ibmm.unibe.ch/research/group_lemmin/index_eng.html

Proteine sind gewaltige Nanomaschinen, die die meisten lebensnotwendigen Funktionen ausführen. Um ihre Funktionsweise und ihren Zusammenhang mit verschiedenen Krankheiten zu verstehen, ist es von entscheidender Bedeutung, ihre dreidimensionalen Strukturen zu bestimmen sowie die Art und Weise, wie diese bei der Proteinaktivierung ihre Konformation ändern. Modelle des maschinellen Lernens (Deep Learning) haben in letzter Zeit die schnelle und hochauflösende Vorhersage der Proteinstruktur ermöglicht. Allerdings sind diese Vorhersagen häufig noch auf eine einzige Konformation beschränkt. Im Rahmen dieses Projekts Verwendung wir eine neue Klasse von generativen Modellen, die als Diffusionsmodelle bezeichnet werden, um alternative Konformationen zu generieren. Unser Ansatz hat den Vorteil, dass er sich direkt in bestehende Modelle integrieren lässt und gleichzeitig mehr Kontrolle bietet, den Generierungsprozess zu steuern.


Modellierung der Protein-Ligand-Faltung durch physikalisch informiertes maschinelles Lernen

Prof. Markus Lill, Department of Pharmaceutical Sciences, University of Basel
https://pharma.unibas.ch/de/research/research-groups/computational-phar…

Generative Künstliche Intelligenz (KI) Methoden haben in den letzten Jahren eine immense Bedeutung erlangt und bewirken tiefgreifende Veränderungen in zahlreichen Bereichen der Technologie und Wissenschaft. Diese innovativen Algorithmen, die auf Deep Learning basieren, ermöglichen es Maschinen, neue Inhalte wie Texte, Bilder, Musik und Videos zu erstellen. In unserem Projekt, werden wir die neuesten generativen KI-Modelle verwenden, um Protein-Ligand Strukturen und deren Dynamik vorherzusagen. Die Robustheit dieser KI-Modelle bei begrenzten Datenmengen wird durch die direkte Integration von physikalischen Prinzipien sichergestellt, wobei ein hierarchisches Modell entwickelt wird, das die biologische Struktur von einem grobkörnigen Modell schrittweise zu einem atomistischen Modell verfeinert.


Vorhersage der Proteindynamik mittels KI aufgrund von 10’000 NMR-Strukturen

Prof. Dr. Roland Riek, Department of Chemistry and Applied Biosciences, ETH Zurich
https://bionmr.ethz.ch/

Sowohl die drei-dimensionale Struktur der Proteine als auch die Bewegung der Atome innerhalb der Struktur bilden die Basis für deren Funktion. Über 100'000 Proteinstrukturen sind bekannt und auf deren Grundlage kann man mithilfe künstlicher Intelligenz (KI) für Millionen von Proteinen die atomar aufgelöste Struktur vorhersagen (AlphaFold). Über die Dynamik von Proteinen ist aber nur relativ wenig bekannt. Die Dynamik hat eine enorme Spannbreite und zwar von Picosekunden (10-12 s) bis Sekunden. Es gibt korrelierte Bewegungen, bei denen sich viele Atome eines Proteins gemeinsam bewegen, als auch antikorrelierte Bewegungen.  Kernspinresonanz Spektroskopie (NMR) ist eine Methode, welche die Dynamik der Eiweisse in Lösung experimentell bestimmen kann. Mithilfe dieser experimentellen Daten soll eine KI-basierte Software entwickelt werden, die auch die Dynamik von Millionen von Proteinen voraussagen kann.
 

Die Rolle des Histons H2A.Z bei der dreidimensionalen Organisation des Genoms

Prof. Dr. David Suter, Institute of Bioengineering, EPFL
https://www.epfl.ch/labs/suter-lab/

Unser genetisches Material befindet sich im Kern jeder unserer Zellen und ist um Nukleosomen gewickelt, die ihrerseits aus acht Proteinen (Histonen) bestehen. Einige Histone existieren in der "klassischen" Form oder in selteneren Varianten, die eine etwas andere Struktur aufweisen. H2A.Z ist eine Variante des kanonischen Histons H2A und wird in Nukleosomen eingebaut, die sich in Regionen befinden, die die Genaktivität steuern (Promotoren und Enhancer). Die genaue Rolle von H2A.Z bei der Kontrolle der Genexpression ist jedoch unklar. Wir haben eine Methode entwickelt, mit der H2A.Z in lebenden Zellen direkt durch H2A ersetzt werden kann. Wir stellen die Hypothese auf, dass die Störungen der Transkription, die durch den Austausch von H2A.Z durch H2A verursacht werden, zum grossen Teil durch den Verlust der dreidimensionalen Organisation des Genoms verursacht werden. In diesem Projekt wollen wir die Veränderungen der Promotor-Enhancer-Kontakte beim Austausch von H2A.Z durch H2A untersuchen. Dazu sollen mit der Micro-C-Technik die Aenderungen der Kontakte zwischen Proteinen charakterisiert werden, die die Kommunikation zwischen Promotoren und Enhancern ermöglichen.


Wie beeinflusst die Genomorganisation die DNA-Replikation und die Reaktion auf Chemotherapeutika?

Dr. Daniel González Acosta, Institute of Molecular Cancer Research, University of Zürich https://www.imcr.uzh.ch/en.html

Die im Zellkern jeder Zelle gespeicherte genetische Information muss präzise organisiert werden, damit die Integrität des Genoms und seine Funktionen aufrechterhalten werden. Einer der wichtigsten Proteinkomplexe, die das Genom in 3D organisieren, ist der Kohäsin-Komplex, der entfernte DNA-Elemente zusammenführt. Um sich zu vermehren, müssen Zellen ihre genetische Information durch DNA-Replikation duplizieren. Wegen der Grösse des Säugetiergenoms setzt dieser Prozess an Zehntausenden von Genompositionen ein. Kohäsin reguliert den Ort, an dem die DNA-Replikation beginnt, und reichert sich dort an, wo die Replikation im Gange ist, insbesondere dann, wenn die Zellen durch chemotherapeutische Behandlungen bei ihrer Replikation gestört werden. Ob bei diesen Prozessen die Genomorganisation mittels Kohäsin eine Rolle spielt, ist noch unbekannt. In diesem Projekt werden wir eine neue Methode entwickeln, die wir Repli-C nennen, um genomische Kontakte in Replikationsregionen zu identifizieren. Mit diesem neuen Ansatz wollen wir beobachten, wie die Genomorganisation die DNA-Replikation unter normalen Bedingungen und bei chemotherapeutischen Behandlungen unterstützt und dabei den Beitrag wichtiger architektonischer Faktoren zu diesen Prozessen testen.


Aufklärung der Struktur von heterodimeren Transkriptionsaktivatoren auf Chromatin

Colby Sandate, School of Life Sciences, EPFL
https://www.thomalab.org/

Transkriptionsfaktoren (TFs) sind Proteine, die spezifische DNA-Motive binden und zusammen mit Coregulatoren bestimmte Genexpressionswege im Kontext von Chromatin aktivieren oder unterdrücken. Die Basic-Helix-Loop-Helix (bHLH)-Familie von Transkriptionsfaktoren ist insofern repräsentativ für die TFs, als sie spezifische DNA-Sequenzen erkennt und wesentliche biologische Prozesse wie zirkadiane Rhythmen, die Hypoxie-Reaktion und die Neurogenese reguliert. Im Gegensatz zu vielen TFs, die DNA als Monomere/Homo-Oligomere binden, zeichnen sich die bHLH-PAS-TFs dadurch aus, dass sie eine Heterodimerisierung unterschiedlicher bHLH-PAS-Proteine erfordern, um ihre zugehörigen Sequenzen zu binden und die Transkription zu aktivieren. Die molekulare Funktionsweise dieses Prozesses ist nicht bekannt und wirft die Frage auf, warum zwei verschiedene TFs für die Funktion notwendig sind, während bei anderen Familien Monomere/Homo-Oligomere ausreichen. Mit Hilfe der Cryo-Elektronenmikroskopie haben wir Strukturen von chromatin-gebundenen bHLH-PAS-Heterodimeren bestimmt, die auf einen allgemeinen Bindungsmodus hindeuten. Dabei bindet eine TF-Untereinheit nicht nur DNA, sondern stellt auch substanzielle Kontakte mit Histonen her und fungiert möglicherweise als allgemeiner Chromatinbinder. In diesem Projekt führen wir eine mechanistische Untersuchung durch, um die Allgemeingültigkeit dieses Befundes in der gesamten bHLH-PAS-Familie zu testen.